cyborg detector

von erich berger, patricia futterer, sandy stone

Cyborg Detector: Der Text

Technologie und Mensch waren früher von einander scharf abgegrenzt. Technologien wurden als Objekte verstanden, die sich eindeutig außerhalb des Körpers befinden - wie Objekte, die der Mensch zu seinen Zwecken verwendet. In dieser Art der Wahrnehmung fanden andere unterschwellige realitätsbildende Prozesse, wie die Netzwerke des Erlebens von sich selbst in einer zunehmend von Technologie informierten Kultur, wenig Bedeutung. Dadurch konnte die Abstraktion der Technologie im Leben der Menschen erst recht an Substanz und Macht gewinnen.

Um die Jahrhundertwende begann sich das Verständnis von Technologie zu ändern. Mit zunehmender Macht, Integration und Mobilisierung von Technologie durch Kapital, sowie der aufkommende Gedanke, gesellschaftlichen Mißständen durch technologische Entwicklung entgegenwirken zu können, nahmen Technologien einen bedeutenden Einfluß auf die Gesellschaft. Technologie wurde als Werkzeug gepriesen, mit dessen Hilfe die Gesellschaft sowie die Menschen selbst erweitert und perfektioniert werden könnten.

Am ende des 20 Jahrhunderts (das gleichzeitig das Ende des Mechanischen Zeitalters in westlichen Ländern und seine Verlagerung in die ehemalige Dritte Welt ist), war der Status von Technologie als Retter, Zerstörer oder unendlich fruchtbarer Mutter von faszinierenden Konsumgütern so weit verbreitet, daß dieses Szenario zum Hintergrundbild des sich entfaltenden Zivilisations-Dramas wurde.

Westliche Menschen sind immer noch Kinder der Aufklärung und dessen essentiellen binären Epistem: Denken ist nicht Körper, Seele ist nicht Fleisch, Schöpfer ist nicht geschaffen. Andere Wissenswege, die das binäre Denken untergraben haben, wurden währenddessen natürlich ignoriert, unter den Teppich gekehrt und umgangen. In der Quantenphysik, zum Beispiel, ist es möglich, daß Objekte auf dem Quanten-Level gleichzeitig existieren und auch nicht existieren, bzw. verschiedene Daseinszustände (Welle, Teilchen) haben können; menschliche Kultur-Körper und Technologie hingegen werden normalerweise als separate Kategorien behandelt.

Gleichzeitig wurde die Frage des 'Flesh-factor' in dieser Technologie-bewußten Kultur zu einem Streitthema, und es entwickelten sich zahlreiche verschiedene Definitionen und Prognosen in bezug auf die Realitäten, die diese Umgebung der Selbstwahrnehmung des in der Techno-Kultur lebenden Menschen bietet. Die Implosion von Körper und Technologie ist gegenseitig. Räume, die vormals dem 'heiligen' Körper vorbehalten waren, werden von Technologie besetzt und Körper vereinnahmen Räume, die vormals der Technologie vorbehalten waren. Gleichzeitig damit werden bequeme Annahmen in Bezug auf die essentielle Unterscheidung zwischen Kategorien aufgerüttelt, wenn beinahe alles, das in der westlichen Denkweise bedeutsam ist, digitalisiert, prozessiert und simuliert werden kann.

Techno-Fleisch teilt die Bühne mit vielen Definitionen und Prophezeiungen über die vielfältigen Realitäten, das dieses Umfeld der Selbstwahrnehmung der Einwohner dieser spät-kapitalistischen Technokulur bietet.

Die Technologie, die Vorstellungen und Träume vom Nutzen der Technologie für den Menschen, die geschichtliche Entwicklung der Selbstwahrnehmung und die gegenwärtigen vielschichtigen Erfahrungen von Realität, die wir in der Techno-Kultur vorfinden, wirken alle auf das Fleisch zurück. Gleichzeitig wirkt das transfigurierte Fleisch selbst auch auf die Technologien -Coevolution und Wachstum. Durch neue Schnittstellen/Grenzen wird das Fleisch nicht nur durch Information geprägt, sondern mutiert in diesem kontinuierlichen Austauschprozeß selbst. Basispaar Synthese ist eine Inskriptions-Technologie; 'den Körper schreiben' wird zu einer wortwörtlichen Realität (und solange Basispaare US$1,- pro Stück kosten ist unser interessantestes Problem also in den nächsten paar Jahren 'Life-Hacking'; das bleibt aber eine Spekulation ..heh heh).

Die Identität des Menschen beruht nicht länger allein auf einem hauptsächlich aus Kohlenstoffverbindungen aufgebauten Körper. Durch die Kombination des aus organischen Verbindungen bestehenden Fleisches mit Vorrichtungen aus Metall und Silizium, wie beispielsweise Halbleiterchips, wird die Erfahrung der menschlichen Selbstwahrnehmung um die Eigenschaften und die kulturellen Faktoren der neu integrierten Komponenten erweitert. Der Grad der Assimilierung ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, und es läßt sich kein einheitlicher, gemeinsamer Sinn für die Realität feststellen.

Für Cyborgs gibt es viele verschiedene Definitionen, aber grundsätzlich könnte jeder ein Cyborg sein. Cyborgs sind ... Fleisch, Hardware, Software, Kultur, Politik, und Imagination.

Der Cyborg Detector ist eine Installation, die den Besuchern das Zusammenwirken von Technik und menschlicher Identität erleben läßt. Die Grenzen zwischen Technologie und Fleisch sind nicht eindeutig. Und so, wie es keine eindeutige Definition von Grenzen der Identität gibt, gibt es auch keine eindeutige Definition der Cyborgs.

Cyborgs können experimentelle Prototypen der modernen kulturellen Identität sein. Wir wollen mit unserer Installation die Menschen zu einem inneren Dialog anregen um sich selbst zu fragen, wie weit die Technologie innerhalb der Informationsgesellschaft und ihrer eigenen Selbstwahrnehmung in ihr Leben integriert sind.

Cyborg Detector: Die Installation

Der CQ (Cyborg Quotient) einer Person wird über seine/ihre Gewohnheiten und Einstellungen im Umgang mit Technologie sowie seine/ihre allgemeine Einstellung zur Informationsgesellschaft ermittelt. Das geschieht mit Hilfe eines TCE (Technological Components Evaluator, auch Metall-Detektor genannt) und mit einer Befragung über ein Computer Interface.

Das bedeutet allerdings nicht, daß Personen mit einem hohen Metallgehalt unbedingt Cyborgs sind, wenn sie sich nicht mit den kulturellen Implikationen der Cyber-Kultur identifizieren.

Die Besucher durchqueren das TCE-System, das den Metallgehalt des Körpers mißt. Danach kommen sie in einen Klinikraum, wo sie ein auf Cyborg-Beratung spezialisierter digital generierter 'Wissenschaftler' über ihre kulturelle Einstellung in bezug auf Technologie und Cyber-Kultur befragt und feststellt, welchen Gebrauch sie davon machen. Dem Wissenschaftler scheint es jedoch an Charakterstärke zu fehlen, denn er wechselt seine Gestalt je nachdem, was ihm auf seine Fragen geantwortet wird.


Ihr lieber Arzt

Schließlich berechnet unser SACK (Scientifically Accurate Cyborgian Knowledgebase) den CQ, und der Wissenschaftler teilt dem/der Untersuchten seinen/ihren Cyborg-Grad mit.

Doch technische Berechnungen durch eine Maschine oder die Klassifizierung in Humanoide und Cyborgs können den Status eines Wesens nicht realistisch bestimmen.

Die letzte Frage, die der/die Untersuchte sich selbst stellen muß lautet: 'Bist du ein Cyborg?' Und das ist für die Ermittlung des CQ die wichtigste Frage überhaupt.

Das Ergebnis zeigt dem/der Untersuchten den eigenen Cyborg-Grad zum Zeitpunkt der Untersuchung an.

Gegebenenfalls übergibt der Wissenschaftler dem Untersuchten auch eine Cyborg-Identifications-Plakette. Dabei handelt es sich um eine Spule mit einer spezifischen Resonanz auf einen Sensor, der am Ausstellungsgelände angebracht ist.

Wenn ein Cyborg nun den Sensor passiert, identifiziert er den Cyborg und löst das VACWS (Visual and Acoustic Cyborg Welcome Signal) aus. Der Monitor zeigt in diesem Fall die folgende Message an: cyborg detected.

Nicht-Cyborgs können sich zur Aufwertung ihres Status an ein spezielles Terminal begeben. Dort können sie ihre Identität durch Herunterladen von Informationen und Integration einer Hardwarekomponente in ihr Leben neu entwerfen.

Danach können sie sich nochmals dem Cyborg-Test unterziehen. Dabei werden sie vielleicht feststellen, daß der virtuelle Wissenschaftler ihre Hardware auch in seinen Körper integriert hat.

Die Cyborg-Aktivitäten in der Ausstellungshalle sind über das Web weltweit zugänglich. Tests und Statusaufwertungen sind allerdings nur vor Ort möglich, da unser weltweiter Satellit CLUNK (Cyborg Location and Upgrading Koordinator) derzeit noch nicht fertiggestellt ist. Die Informationen, die sich Nicht-Cyborgs herunterladen können, stehen auch im Web zur Verfügung.

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